Bescheiden

Letzte Woche habe ich Churchills Landsitz, Chartwell, in Kent besichtigt. Es ist ein großartiges Haus mit tollen Gärten. Churchill war ein Ausnahmepolitiker, aber ein talentierter Maler und Autor obendrein. 1953 bekam er den Nobel Preis für Literatur. Sein bissiger Humor, der ganz sein eigener war, hat ein neues Adjektiv in der englischen Sprache geschaffen: Churchillian. Churchill beschrieb Clement Atlee (Premier Minister zwischen 1945 und 1951) folgendermaßen: „A modest man, but then he has so much to be modest about“ (frei übersetzt: „Ein bescheidener Mann, aber schließlich ist er ziemlich bescheiden“). Und dann fiel mir ein, wie unterschiedlich bescheiden in der deutschen Sprache angewendet wird und wie man es ins Englische übersetzen würde.

Ein Paar Beispiele:

1. Wie geht es dir?
Es geht mir ziemlich bescheiden.

Auf Englisch könnten wir sagen:

How are you?
(Wenn das physische Befinden gemeint ist)
I’m not feeling that great/I’m a little off colour
(Wenn das psychische Befinden gemeint ist)
I’m a bit under the weather/a bit down

2. Die Firma hat ein bescheidenes Sortiment von nur 10 Artikeln im Programm.

Wir würden sagen:

The company stocked a small range of just 10 articles.

3. Die Gewinnaussichten der Firma sind eher bescheiden.

Wir würden sagen:

Profit forecasts for the company are on the low side.

Hier würden wir nicht modest sagen, denn das wäre zu positiv.

4. Er war kein Angeber, sondern eher ein bescheidener Mann.

He wasn’t a show-off, but more of a modest man.

Hier können wir, analog dem Deutschen, auch modest sagen.

Vielleicht haben meine Leser weitere Beispiele!

 

3 Antworten to “Bescheiden”

  1. Max Headroom Says:

    Nun gibt es ja auch noch „bescheiden“ als Verb, besonders im Amtsdeutsch: „Leider können wir Sie nicht anders bescheiden.“. Hier ist „bescheiden“ eben „einen Bescheid erteilen“. Vielleicht „refuse“ oder „turn down“?
    Die Beispiele aus dem ursprünglichen Beitrag verwenden „bescheiden“ nach meinem Empfinden eher als Euphemismus für „beschissen“.
    Aber es gibt ja auch noch die Aufforderung, noch mehr Kuchen zu nehmen: „Sie mal nicht so bescheiden“ – hier durchaus als wahrnehmbare, höfliche Eigenschaft gesehen, aber mit der Aufforderung versehen, dieses wohlgefällige Verhalten abzulegen – wäre da „humble“ oder „meek“ richtig?
    Auch wäre „bescheiden“ im Sinne von „unauffällig“ noch sehen: sich bescheiden im Hintergrund halten.Wobei – wenn auffällt, dass sich einer bescheiden im Hintergrund hält, ist er ja doch auffällig … Ach ja!

    • Sally Massmann Says:

      Wunderbar! Ich kannte die Anwendung von bescheiden als Verb nicht. „To turn somebody/something down“ wäre eine tolle Übersetzung. Zum Kuchen („Seien Sie mal nicht so bescheiden“): hier würden wir sagen: „Don’t be shy – have another piece of cake“ oder sogar „Go on, take that piece of cake – it’s got your name on it“. „Humble“ oder „meek“ ginge in diesem Fall im Englischen zu weit. „Sich bescheiden im Hintergrund aufhalten“: vielleicht „To keep in the background/to fade into the background“.

  2. Tony Mellor-Stapelberg Says:

    Gefunden in der „ZEIT MAGAZIN“ vom 6.6.2012, Artikel „Die Welt hinter Breslau“ (über Polen und die Ukraine) von Wolfgang Büscher:
    „…’Und wie war das Leben?‘ – ‚Ach, wie war mein Leben? Viel allein war ich. Der Mann lief weg, drei Kinder hab ich alleine großgezogen.‘ Einen Moment ist sie weit weg, dann fängt sie sich mit einem Spruch. ‚Das Leben! Das Leben ist wie ein Kinderhemd, kurz und bescheiden.‘ […] Ich kannte den Spruch als Kind, die Erinnerung schießt heran wie eine Kugel: […] Die Frau hat den Spruch leicht verfälscht. Sie benutzt die stubenreine, dafür weniger bildstarke Version, eigentlich hieß es: ‚Das Leben ist wie ein Kinderhemd, kurz und beschissen.'“

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